Wie uns unser Schulsystem beeinflusst

Wolfgang Amadeus Mozart galt als ein sehr wissbegieriger Schüler. Er soll förmlich darum gebettelt haben, von seinem Vater unterrichtet zu werden. Schon mit drei Jahren setzte er sich an das heimische Cembalo und suchte »nach schönen Tönen«, wie er seinem Vater Leopold sagte. Dieser war selbst Komponist, Geiger und Hofkapellmeister der bischöflichen Kapelle in Salzburg. Ab dem vierten Lebensjahr des Jungen nahm er den Unterricht in die Hand. Der junge Mozart soll Berichten zufolge ganz versessen aufs Lernen gewesen sein: »Unterricht, Papa, Unterricht!«. Schon bald zeigte sich das außergewöhnliche Talent des Jungen. Mit fünf Jahren soll er die ersten Kompositionen zu Papier gebracht haben, mit sieben Jahren ging er als »Wunderkind« auf Tournee, spielte an den wichtigsten Höfen Europas und hatte sogar ein Konzert vor der Kaiserin Maria Theresia, der er damals auf den Schoß gesprungen sei und sie vor Freude geküsst habe, wie der Vater berichtete. Im Alter von elf Jahren schrieb er seine erste Oper. Später entstanden die bedeutendsten Kompositionen der klassischen Musik.

Was wäre aus Mozart geworden, wenn er eine ganz normale Schule nach heutigem Muster besucht hätte? Sicher hätte er in Musik gute Noten bekommen. Von Mozart wird berichtet, dass er lebenslustig,  impulsiv, frech bisweilen hyperaktiv war. Deswegen hätte man bei ihm heute wohl ein ADHS-Syndrom diagnostiziert und ihn entsprechende Medikamente zur Ruhigstellung verabreicht. Die Lehrer hätten vermutlich sehr bald festgestellt, dass er in den meisten Fächern außer Musik eine Schwäche hat (Mozart konnte Noten besser lesen als Buchstaben) und hätten ihn angehalten, in diesen Fächern intensiver zu lernen und entsprechend mehr Zeit zu investieren. So wäre Mozart wohl zu einem durchschnittlichen Schüler in den meisten Fächern geworden, während sein musikalisches Talent eher auf der Strecke geblieben wäre.

Zugegeben, das ist Spekulation, denn Mozart hat nie eine reguläre Schule besucht, er wurde nur von seinem Vater unterrichtet. Dieser förderte ganz gezielt seine musikalischen Talente, denn alles in Mozart drängte nach der Musik. In einer heutigen Schule hätte er sich mit Lesen, Schreiben und Rechnen auseinander gesetzt, jahrelang mit dreißig anderen Schülern in einer Klasse. Vielleicht wäre er sogar als Sonderling dem Spott seiner Mitschüler ausgesetzt gewesen.

Unsere Schulen folgen einem Einheitsprogramm für jeden Schüler. Sie haben zunächst einmal das Ziel, die Schwächen der Schüler zu beheben, damit diese tauglich werden für die Arbeitswelt. Bei der Größe der Klassen haben Lehrer keine Zeit, Stärken und Talente zu fördern, dabei würden alle anderen Schüler zu kurz kommen. Sie halten die Kinder dazu an, auf die Fächer die meiste Zeit zu investieren, in denen die Kinder die schlechtesten Noten haben. Die Aufmerksamkeit richtet sich dadurch immer auf die schlechten Fächer und Noten, auf die Defizite und Schwächen. Die Bewertungskriterien der Lehrer übernehmen unsere Eltern, indem sie das Zeugnis kommentieren, und zwangsläufig setzt sich eine bestimmte Art zu denken in den Köpfen der Schüler fest: »Ich habe viele Punkte, in denen ich schlecht bin.«

Die Schule führt dazu, dass wir Mangel-orientiert denken. Wir schwächen unsere eigenen Talente und treten mit geringerem Selbstbewusstsein auf. Dadurch sind wir als Menschen viel eher verletzlich.

Wie sollen Kinder auf diese Weise auch Selbstbewusstsein gewinnen? Nun werden mir viele Lehrer antworten, dass viele Schüler, insbesondere männliche Besucher der Lehranstalt, aus ihrer Sicht schon zu viel Selbstbewusstsein zeigen. Doch das ist ein aufgesetztes Imponiergehabe, eine äußere Fassade, die dem Schutz des kleinen inneren Selbst dient. Mit echter Souveränität hat das nichts zu tun.

W.A. Mozart- Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de

 

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