Beleidigung und Schock oder: Die Chance zum Lernen

In meinem Schlagfertigkeits-Blog habe ich eine Zeit lang angeboten, dass mir Leser ihre Erlebnisse schildern können und ich ihnen dann Tipps für eine schlagfertige Antwort oder das richtige Verhalten gebe. »Beleidigung und Schock« so überschrieb eine Leserin ihre Mail an mich. Sie schrieb:

„Ich wurde grundlos beleidigt und ich wurde verurteilt etwas zu sein, was ich nicht bin, von jemanden, den ich noch nie vorher gesehen habe. Das Ereignis ist schon vier Wochen her. Seitdem habe  ich Zweifel an meiner Schlagfertigkeit  bzw. an meinem Selbstbewusstsein und meiner Rhetorik.“

 

Immer wieder wenden sich Menschen mit ähnlichen Beschreibungen an mich. Die Beleidigung eines Unbekannten im Supermarkt, jemand hat Ihnen die Vorfahrt genommen oder sich unhöflich geäußert. Für diesen Fall  schlage ich Ihnen folgende Verhaltensweise vor: Nutzen Sie die Gelegenheit, ein wenig über sich selbst zu reflektieren. Jedes Erlebnis, das Sie emotional aufwühlt, bietet Ihnen die Chance zum Lernen. Den Ärger kann ich Ihnen zwar nicht ganz nehmen, mit den folgenden Tipps können Sie sich selbst jedoch dazu bringen, sich weniger zu ärgern und schneller wieder auf „Normalniveau“ zurück zu kommen.

Ein Angriff kann Sie immer nur dann treffen, wenn Sie ihm selbst eine Bedeutung und eine Wahrheit beimessen.

Dies gilt insbesondere, wenn Sie, wie im Fall der Mailschreiberin, den Angreifer vorher noch nie gesehen haben; er Sie also gar nicht kennt, geschweige denn, sich ein Urteil über Sie erlauben kann. Im Grunde könnte sie der Vorwurf daher kalt lassen, der andere weiß ja nicht, wovon er redet. Und doch springen unsere Gefühle meist in eine andere Richtung.

Zunächst ist jede Aussage – auch ein Angriff – eine Information über Ihr Gegenüber. Der andere teilt Ihnen etwas mit und kommentiert damit seine Wahrnehmung oder seine Bedürfnisse.

Was lässt sich in diesem Fall über den Angreifer feststellen? Ganz sicher passte ihm etwas nicht am Verhalten der Mailschreiberin. Da sie keine Details mitgeteilt hat, können wir nur Vermutungen anstellen. Vielleicht hat sie ihn beim Autofahren übersehen und fast angefahren, vielleicht hat sie ihm den sicher geglaubten Parkplatz weggeschnappt oder den letzten Einkaufswagen für sich beansprucht. Was immer es war, der Angreifer wird es für sich als ungünstig (oder schlimmer) bewertet haben. Sie erinnern sich an die Wirkkette: Eine negative Bewertung zog eine negative Emotion nach sich. Daher der überreizte Angriff. Schon diese Sichtweise kann in vielen Fällen helfen, sich einen anderen Blick auf die Ereignisse und die Reaktion eines anderen zu verschaffen.

Die Rat suchende Dame hat sich nach ihrer Aussage viele Wochen lang damit beschäftigt und sich gegrämt. Auch zu diesem Vorgang möchte ich gern einige Überlegungen mit Ihnen teilen.

Ihre Emotionen entstehen durch Ihre eigene Be-wertung, also dem Wert, den Sie einer Aussage beimessen. Der Angriff ist nur der Auslöser. Die Verletzung entsteht, wenn Sie innerlich das Wertesystem des Angreifers anerkennen.

Vielleicht gibt es eine innere Stimme, mit der Sie sich selbst innerlich ähnlich kritisieren, wie es der Angreifer getan hat? Wir alle erkennen unsere Mängel viel leichter als unsere Qualitäten. Gibt es Eigenschaften, an denen wir selbst zweifeln, ist es leicht, uns zu kritisieren.

Alle Informationen, die innerlich in Schwingung geraten, laden den Wert des Angriffs auf und entfalten so ihre Wirkung. Bei einer Beleidigung gerät das eigene Mangeldenken in Resonanz, und alle Selbstzweifel geben dem Angriff eine schwerer wiegende Bedeutung. Sie laden Kummer und Schuld der eigenen Person auf und verstärken damit Ihr Mangeldenken. Am Ende schaden Sie sich selbst, wenn Sie einem anderen Menschen etwas übel nehmen.

 

Mit diesen Fragen gelingt es leichter, einen Angriff zu verarbeiten.

Foto: Tony Hegewald / pixelio.de

Diese Fragen helfen Ihnen, einen Vorgang von einer anderen Perspektive zu betrachten:

  • Was genau ist tatsächlich passiert ? (Hier nur auf die Fakten achten, nicht auf Ihre Emotionen.)
  • Was sagt der Vorwurf über das Denken und die Bedürfnisse des Angreifers?
  • Was ist tatsächlich wahr an dem Vorwurf?
  • Was kann ich aus der Begebenheit lernen?
  • Möchte ich etwas an meinem Verhalten oder meiner Einstellung ändern?
  • Falls Ja: Wie kann ich das am besten umsetzen?

Wenn Sie an der Vergangenheit festhalten und sich über andere ärgern, verlieren Sie enorm an Präsenz im Hier und Jetzt. Diese Präsenz benötigen Sie aber als der souveräne Mensch, der Sie sein sollten. Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie solche Situationen und Erinnerungen dauerhaft einschränken.

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