Schlagfertig und kreativ wie Niels Bohr

Niels Bohr steht vor seinem Prüfungsgremium an der Universität von Kopenhagen. Die Aufgabenstellung lautet wie folgt:

»Beschreiben Sie bitte, wie man die Höhe eines Wolkenkratzers mit Hilfe eines Barometers feststellen kann.«

Der Prüfling antwortet:
»Sie befestigen ein langes Stück Schnur am Rand des Barometers und lassen das Barometer dann vom Dach des Wolkenkratzers zum Boden hinunter. Die Länge der Schnur plus die Höhe des Barometers entspricht der Höhe des Gebäudes.«

Die Antwort entrüstet die Prüfer; sie wollen den Prüfling durchfallen lassen. Der Prüfling beschwert sich mit der Begründung, dass seine Antwort doch eindeutig korrekt sei.
Der Einspruch des Prüflings wird akzeptiert, allerdings wird bemängelt, dass die vorgetragene Lösung kein spezielles Physikwissen beweise. Der Prüfling wird um eine ‚passendere‘ Antwort gebeten. Hierfür bekommt er eine mehrere Minuten dauernde Überlegungszeit eingeräumt.

Nils Bohr nutzt die Überlegungsfrist bis zum Schluss; er scheint intensiv nachzudenken. Dann meint er, dass er mehrere Antwortmöglichkeiten gefunden habe, er aber unsicher sei, welche Antwort denn nun von ihm erwartet werde. Sichtlich genervt fordern die Prüfer den Prüfling auf, endlich seine Lösungen vorzutragen. Hier seine Antwort:

1. Sie könnten das Barometer vom Dach des Wolkenkratzers fallen lassen und die Zeit messen, die es braucht, um den Boden zu erreichen. Die Höhe des Gebäudes können Sie dann mit der Formel h = 0,5 x g x t2 berechnen. Das Barometer wäre allerdings zerstört.

2. Falls die Sonne scheint, könnten Sie die Höhe des Barometers messen, es hochstellen und die Länge seines Schattens messen. Dann messen Sie die Länge des Schattens des Wolkenkratzers. Anschließend ist es eine einfache Sache, anhand der proportionalen Arithmetik die Höhe des Wolkenkratzers zu berechnen.

3. Wenn Sie jedoch besonders wissenschaftlich vorgehen wollten, könnten Sie ein kurzes Stück Schnur an das Barometer binden und es schwingen lassen wie ein Pendel, zuerst auf dem Boden und dann auf dem Dach des Wolkenkratzers. Die Höhe entspricht der Abweichung der gravitationalen Wiederherstellungskraft T=2pi2 (l/g).

4. Sofern das Gebäude eine außen angebrachte Feuertreppe besitzt, könnten Sie seine Höhe dadurch ermitteln, dass Sie die Barometerhöhe anlegen (wie einen Zollstock) und die Anzahl der Barometerlängen ermitteln. (Barometerlänge mal Anzahl = Höhe des Bauwerkes)

5. Wenn Sie lediglich eine langweilige orthodoxe Lösung wünschen, dann können Sie das Barometer benutzen, um den Luftdruck auf dem Dach des Wolkenkratzers und auf dem Boden zu messen und aus dem Unterschied in Millibar die Höhe des Gebäudes ableiten.

6. Da wir aber ständig aufgefordert werden, unseren Verstand zu nutzen, wäre es sinnvoller, einfach den  Hausmeister zu befragen und ihm als Dankeschön das Barometer zu schenken.«

Darauf bestand der Prüfling. Wie Sie sehen, ist Kreativität ein Mittel, um erfolgreich zu sein und außergewöhnliche Lösungen für Probleme zu finden. Niels Bohr war übrigens der erste Däne, dem der Nobelpreis für Physik verliehen wurde.

 

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